Megavalanche Alpe d’Huez mit Frank Schneider & Friends

“La Bomba! Alarma!”

Genau 10 Jahre ist es jetzt her. 2012 trat Frank “Schneidi” Schneider zum letzten Mal beim legendären Megavalanche Rennen am Pic Blanc an. Auf einem Singlespeed Hardtail leistete Frank Unglaubliches und deklassierte die Masse der Enduros und Trailbikes, die natürlich vollgefedert und mit Schaltung unterwegs waren. Der ehemalige deutsche Downhill Vize-Meister, langjährige Weltcup Racer und Nicolai Teamfahrer wurde damals bereits von Gates gesponsert. Im Rahmen der Entwicklung der neuen Gates CDX Serie, einer speziell fürs Mountainbiken entwickelten Carbon Drive Variante, sollte Frank das Produkt unter den denkbar härtesten Bedingungen testen. Und das bedeutete beim Megavalanche von Alpe d'Huez. Der Antrieb hielt. Frank wurde im Finale des Challenger Rennens Zweiter von ca. 400 Startern und Sieger in der Kategorie Masters 30.

Frank ist mittlerweile vom Teamfahrer zum stellvertretenden Geschäftsführer des deutschen Gates Vertriebs, der Firma UT avanciert. Aber einmal Racer, immer Racer. Und so findet er sich am Morgen des 3.Juli 2022, 6:15 Uhr Ortszeit, 10 Jahre nach seinem überraschenden Sieg, erneut in der großen Gondel wieder, die ihn zusammen mit dutzenden anderen wild Entschlossenen zum Start des Megavalanche bringt. Das legendäre Rennen gibt es seit 1995, und nahezu jeder Medientitel hat schon darüber berichtet, deshalb hier nur die wichtigsten Fakten im Schnelldurchlauf: Das Hauptrennen der Herren beginnt mit einem Massenstart auf 3330 Metern Höhe. Das Ziel liegt 2600 Höhenmeter tiefer in Allemond. Der titelgebende Ort Alpe d'Huez auf knapp 1800 Metern liegt etwa auf halber Strecke. Der Megavalanche von Alpe d’Huez ist damit das längste und härteste Downhill-Rennen der Welt. Gestartet wird in 12 Startreihen, jeweils mit rund 30 Fahrern besetzt. Zuvor ausgetragene Qualifikationsrennen über einen Abschnitt der Rennstrecke entscheiden, ob und aus welcher Startreihe man am Rennen teilnimmt.

Die Quali-Läufe werden in Feldern zu je 150 Fahrern gestartet, beginnen etwas oberhalb der Mittelstation auf 2800 Metern und gehen über circa 1000 Höhenmeter talwärts. Die jeweils Erst- bis Drittplatzierten aller Vorläufe starten beim Finale aus der 1. Reihe, die vierten bis sechsten aus der 2. Reihe, die siebten bis neunten aus der 3. Reihe und so fort. Nur ein knappes Drittel aller Fahrer schafft es also überhaupt nur ins Finale.

Frank hatte beim Quali-Lauf einen schlechten Start, stand ganz hinten im Feld und wurde durch einen Massensturz direkt nach dem Start ausgebremst. Aber er biss sich durch. Am Ende reichte es immerhin noch für einen 7. Platz, was einen Start aus der 3. Reihe im Hauptrennen bedeutete. Frank war nicht der einzige Fahrer in Alpe d’Huez, der mit Carbon Drive an den Start ging. Das Zerode Enduro Team aus Neuseeland mit Bradley Lauder, Lucas Walch und Leo Housman sowie Rod Hall vom Team Nicolai / Ronny Racing werden ebenfalls von Gates gesponsert. Mit am Start war auch Christian Gebicke als UT / Gates / Nicolai Gastfahrer. Die 6 Jungs bildeten in Alpe d’Huez ein großes Team. Es wurde gemeinsam gewohnt, gekocht, trainiert und geschraubt. Zerode Fahrer Bradley Lauder erzielte einen 10 Platz in der Quali und startete eine Reihe hinter Frank. Christian Gebicke wurde 45ter, was nicht für das Hauptrennen reichte. Er konnte aber beim Challenger Rennen starten und erzielte dort immerhin Rang 76. Zerode Fahrer Leo Housman fuhr sich einen Platten und konnte sich nicht qualifizieren. Sein Teamkollege Lucas Walch wurde vor Ort krank und schied damit leider aus. Die beste Quali fuhr Rod Hall. Mit einem beeindruckenden 3. Platz durfte er aus der exklusiven ersten Reihe starten.

Der Start aus einer der vorderen Reihen bringt nicht nur einen realen Vorsprung in Metern. Der Startbereich ist in diesem Jahr zwar weitgehend schneefrei, aber der erste Streckenabschnitt am Gipfel führt über Skipisten und Schneefelder, und der Firn ist aufgrund der warmen Witterung nass und weich. Die Pisten werden für das Rennen zwar gewalzt, aber die Reifen ziehen tiefe Furchen. Nur die Fahrer der ersten Reihen haben überhaupt eine Chance, eine glatte Linie zu finden. Je weiter hinten man hier fährt, um so schwieriger wird es. Das Bike folgt den eingefahrenen Rillen, versetzt und schlingert wild, der Fahrer wird zum Passagier. Abflüge und Massenstürze sind hier die Regel.

Zum Start ertönt die berühmt-berüchtigte Techno Sirene: “Alarma! El Ritmo Fatal! La Bomba!” Das riesige Fahrerfeld setzt sich nahezu zeitgleich in Bewegung. Frank hat aus der dritten Reihe heraus bereits mit tiefen Spuren im Schnee zu kämpfen, aber kein Vergleich zu dem Chaos, das hinter ihm ausbricht. Davon bekommt Frank allerdings nichts mit. Der Fokus ist nur nach vorn gerichtet, auf die Linie, auf die gut 90 Piloten, die vor ihm und mit ihm gestartet sind. Frank kommt gut weg, kann bereits auf den ersten Kilometern viele Plätze gutmachen und sich kontinuierlich weiter Richtung Spitze vorarbeiten. Mit der Dauer des Rennens zieht sich das Feld immer weiter in die Länge, die Spitzengruppe gerät außer Sicht. Die Fahrer rufen im Vorbeifahren immer wieder den Zuschauern zu, fragen nach ihrer aktuellen Position. Als die Schneefelder enden, antwortet ein Zuschauer Frank “45!” Er kämpft sich an weiteren Fahrern vorbei.

Kurz vor Alpe d’Huez, etwa auf halber Strecke hört er: “32!” Das motiviert, und Motivation ist das einzige wirksame Mittel gegen die einsetzende Erschöpfung. Doch dann schlägt das Schicksal zu. Auf einer Uphill Tretpassage hinter Alp d’Huez löst sich ein Schnürsenkel und verfängt sich im Antrieb, umwickelt das Pedal. Stillstand. Frank muss absteigen. Während er fluchend seinen Schuh befreit, zieht ein Fahrer nach dem anderen, den er zuvor überholt hat, wieder an ihm vorbei. Als es endlich weitergeht, kann Frank sich zwar wieder ein paar Plätze nach vorn arbeiten, Enttäuschung und Ärger fahren aber von nun an mit.

Nach 51 Minuten und 7 Sekunden erreicht Frank endlich das Ziel. Die Erschöpfung übermannt ihn. Trinken, ins Gras legen, warten, bis die finalen Platzierungen in der App aktualisiert werden. Dann das Ergebnis: Rang 56 in der Gesamtwertung. 24 Positionen hat ihn der Schnürsenkel gekostet. Der Sieger der M40 Klasse liegt nur 8 Positionen vor Frank. Aber er ist immerhin noch dritter bei den Masters geworden, also ein Podiumsplatz. Die Laune steigt. Und als es zur Siegerehrung aufs Podest geht, ist es wieder da: Das gute, alte Schneidi-Strahlen!

Schnellster Fahrer vom Team Zerode / Gates / Pinion wurde Bradley Lauder auf Platz 45 gesamt und Platz 22 in seiner Masters 30 Klasse. Rod Hall, Team Nicolai / Ronny Racing nütze sein 3. Quali Platz am Ende leider nichts, er fiel mit einem Platten aus.

Wir haben die Gelegenheit genutzt, um Frank Schneider mal ein paar Tipps zu entlocken, wie man sich am besten auf ein Rennen wie den Megavalanche vorbereiten kann. Welche Tricks und Kniffe hat ein alter Hase wie er so auf dem Kasten?

Reifenpannen scheinen einer der häufigsten Gründe für Ausfälle beim Megavalanche zu sein. Wie kann man sich dagegen am besten wappnen?

Frank: Das ist richtig. Auf alle Fälle sollte man einen Reifen mit Downhill Karkasse und Flankenschutz fahren. Mein Lieblingsreifen für solche Zwecke ist eine Kombo aus Maxxis Assegai hinten und Shorty vorn. Ich fahre mit einer Schaumeinlage und natürlich tubeless. Zusätzlich fülle ich eine größere Menge Sealant ein und fahre auch einen höheren Luftdruck als üblich. Vorn 2,1 bar und hinten 2,3.

Bedeutet eine Reifenpanne immer das Aus?

Frank: Ein Riss in der Flanke schon. Bei einem kleinen Einstich dagegen kommt es auf eine schnelle Reparatur an. Ich habe ein Tubeless Reparaturset dabei, das ich mit Gaffa aufs Unterrohr getaped habe. Für den schnellen Zugriff. Wenn man das Loch schnell findet, es mit einem vorbereiteten Plug stopft und den Reifen mit einer Co2 Patrone wieder füllt, verliert man natürlich trotzdem viele Positionen, kann das Rennen aber relativ schnell wieder fortsetzen. Vorausgesetzt, man behält bei der Reparatur die Nerven.

Hast du die Nerven behalten, als du deinen Schuh aus dem Antrieb gezerrt hast?

Frank: Ich war frustriert und aufgeregt und das Ding hing wirklich fest.

Kann man sich auf so eine Situation auch vorbereiten?

Frank: Normalerweise wäre ich mit Motorrad Trial Stiefeln gefahren. Die sind perfekt für sowas. Keine Schnürsenkel, stabil, weiche Sohle mit top Grip und gleichzeitig auch ein guter Schutz für Füße und Knöchel. Leider sind die mir bei der Quali kaputt gegangen, an einem hat sich die Sohle gelöst.

Bei Schnürschuhen dann vielleicht ein Tauchermesser ans Bein schnallen. Was hast du sonst noch dabei? Oder was lässt du weg?

Frank: Ich bin ohne Trinkflasche, Rucksack, Ersatzschlauch oder Snacks unterwegs. Das ist alles nur Ballast. Neben dem Tubeless Reparaturset habe ich nur noch ein Multitool dabei. Das ist ebenfalls aufs Unterrohr getaped.

Kannst du uns was zu deinem Arbeitsgerät erzählen? Was für ein Bike ist für so ein Rennen ideal?

Frank: Mein Bike ist ein aktuelles Nicolai Ion G15 mit 12-Gang Pinion Getriebe-Schaltung und Carbon Drive Antrieb. Diese Kombination ist absolut unempfindlich und nahezu unverwüstlich. Der Rahmen hat 145 mm Federweg am Heck. Mehr Federweg wäre vielleicht etwas schneller und kraftsparender auf den langen, harten Abfahrten. Aber beim Megavalanche gibt es eben auch lange Tretpassagen und brutale Uphills. Da kehrt sich der Vorteil dann ist Gegenteil. Ein Rad wie mein Ion, mit mittlerem Federweg aber einer flachen, langen Geometrie für schnelle Abfahrten, das sich zugleich ohne großen Verlust bergauf bewegen läßt, ist eigentlich optimal.

Was für ein Setup hat dein Fahrwerk? Hast du da auch noch einen Tip parat?

Frank: Ich fahre eine Suntour Durolux RC2 Gabel mit 160 mm und einen Suntour RS21 Edge Plus Dämpfer. Insgesamt fahre ich einen etwas höheren Druck und weniger Sag als bei einem normalen Enduro Rennen, wegen der Uphills und Tretpassagen. Ganz wichtig ist es aber bei einem Langstrecken Downhill wie dem Megavalanche, die Dämpfung zu erhöhen. Druckstufe, aber besonders die Zugstufe. Das Öl erwärmt sich während der langen Fahrt stark, durch die zahlreichen Schläge und Stöße. Das verändert die Viskosität, so dass die Dämpfung mit der Zeit immer schneller wird. So ist es dann zwar am Anfang etwas bockig, aber nach relativ kurzer Zeit und gerade nach unten raus, wenn die Kräfte nachlassen, funktioniert dein Fahrwerk dann perfekt.

Vielen Dank für die Einblicke und Tipps und herzlichen Glückwunsch zum 3. Platz.

Dieser Artikel erschien zuerst in abgewandelter Form auf MTB-News.de.

Fotos: Hoshi K. Yoshida